Klassifikation

Früher unterschied man zwischen einer primären (idiopathischen) pulmonalen Hypertension bei unbekannter Ursache und einer sekundären Form infolge zugrunde liegender Erkrankungen. Dieses Konzept wurde aber aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Pathophysiologie, Molekularbiologie und Klinik im Rahmen … des 3. WHO-Symposiums über Pulmonale Hypertonie 2003 in Venedig verlassen. Die „Venedig-Klassifikation“ unterscheidet 5 Hauptgruppen, wobei die sogenannte primäre PH (PPH) heute als idiopathische PAH (iPAH) bezeichnet wird. Während des 4. Weltsymposiums über PH, 2008 in Dana Point, Kalifornien, entschied eine internationale Expertenkonferenz, die generelle Philosophie und Organisation dieser „Venedig-Klassifikation“ beizubehalten (Tabelle 1). Dennoch wurden basierend auf Publikationen der letzten Jahre leichte Modifikationen durchgeführt, die vor allem die Gruppe 1 der Venedig Klassifikation, die pulmonal-arterielle Hypertension, betreffen.

Aufgrund der unterschiedlichen Therapiestrategien ist eine exakte Diagnosestellung mit Zuordnung betroffener Patienten und Patientinnen zu einer der PH-Gruppen wichtig. Während für Patienten und Patientinnen, die in die Gruppe 1 der Dana Point-Klassifikation fallen, spezifische Vasodilatatortherapien zum Einsatz kommen, richtet sich in den Gruppen 2, 3 und 5 das Hauptaugenmerk auf die Behandlung der zugrunde liegenden kardialen oder pulmonalen Erkrankung. Ein besonderer Stellenwert kommt der Differentialdiagnose der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertension (CTEPH) (Gruppe 4 der Dana Point Klassifikation) zu, da dies die einzige Lungenhochdrucks-Form ist, die durch pulmonale Endarteriektomie (PEA) und lebenslange orale Antikoagulation heilbar ist.

1. Pulmonal-arterielle Hypertension

1.1. Idiopathische pulmonal-arterielle Hypertension (iPAH)

Die iPAH ist eine sporadische Erkrankung für die weder eine familiäre Prädisposition noch sichere Risikofaktoren bestehen. Allerdings konnten bei 11 bis 40% von vermeintlich idiopathischen Formen ohne familiären Hintergrund Mutationen im BMPR II Gen gefunden werden, weshalb eine klare Trennung zwischen idiopathischen und familiären BMPR II Mutationen schwierig ist und artifiziell erscheint [6].

1.2. Hereditäre pulmonal-arterielle Hypertension

Bei allen Patienten und Patientinnen mit BMPR II Mutationen liegt eine hereditäre Erkrankung vor, egal ob die Mutation zum ersten Mal auftritt (de novo Mutation) oder schon bei Familienangehörigen bestanden hat. Aus diesem Grund soll nicht mehr von einer „familiären PAH“, sondern von einer „hereditären“ Form in der neuen Klassifikation gesprochen werden. Eine genetische Testung ist aufgrund der neuen Kategorie „hereditäre PAH“ allerdings nicht generell bei allen Patienten und Patientinnen mit iPAH oder familiären Fällen von PAH erforderlich. Durch eine geringe Penetranz des Gens kommt es nur bei 20% aller Mutationsträger zur Krankheitsmanifestation. Wenn eine genetische Testung erwünscht ist, sollte diese nur nach einer ausführlichen Diskussion über Risiken, Möglichkeiten und Konsequenzen dieser Testung durchgeführt werden.

1.3. PAH assoziiert mit Medikamenten und Toxinen

Epidemisches Auftreten von PAH wurde in den 1960er Jahren in Österreich, Deutschland und der Schweiz in Zusammenhang mit der Einnahme von Aminorex verzeichnet. 30 Jahre später wurden Fenfluramin und Dexfenfluramin, zwei in den USA zugelassene Appetitzügler, aufgrund von gehäuften PAH-Fällen vom Markt genommen. Auch ein chronischer Kokain oder Amphetamin-Abusus erhöht das Risiko, an einer PAH zu erkranken. Laut einer rezenten Fall-Kontroll Studie erhöhen selektive Serotonin-Rezeptor-Inhibitoren, die Schwangere einnehmen, das Risiko einer persistierenden PH beim Neugeborenen (1.5 der Dana Point Klassifikation) [7].

1.4. Pulmonal-arterielle Hypertension assoziiert mit Erkrankungen wie

1.4.1. Kollagenosen

Lungenhochdruck kann als Komplikation unterschiedlicher Kollagenosen auftreten. Besonders häufig sind Patienten und Patientinnen mit progressiver systemischer Sklerose betroffen, wobei prospektive Studien eine Prävalenz von ungefähr 12% gezeigt haben [8]. Erwähnenswert ist, dass die PAH nicht die einzige Form der PH bei systemischer Sklerose darstellt. Auch Lungengerüsterkrankung (PH bei interstitieller Lungenerkrankung 3.2.) und diastolische Dysfunktion (2.2. der Dana Point Klassifikation) im Rahmen der systemischen Sklerose können zu einer Drucksteigerung im kleinen Kreislauf führen [9]. Diese Patienten und Patientinnen sollten bei Verdacht auf Pulmonale Hypertension daher genau evaluiert werden, um eine exakte Klassifikation und damit eine entsprechende Therapie zu ermöglichen. Mehrere Studien konnten zeigen, dass die Prognose der PAH assoziiert mit systemischer Sklerose trotz moderner Therapie schlechter ist als bei Patienten und Patientinnen mit iPAH.

1.4.2. HIV-Infektion

Bei einer HIV-Infektion mit unklarer Belastungsdyspnoe sollte nach Ausschluss typischer assoziierter Erkrankungen auch immer an das Vorliegen einer pulmonalen Hypertonie gedacht werden. Die Inzidenz der pulmonalen Hypertonie in der HIV-Population ist etwa 1.000-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung (ungefähr 0,5% aller HIV-infizierten Patienten erkranken an PAH). Auch hier sind die molekularen Mechanismen, die zur Erkrankung führen nicht geklärt, es scheint aber eine eindeutige Korrelation zwischen der Anzahl der CD4 positiven Lymphozyten und der Krankheitsaktivität zu geben. Weil weder das Virus selbst noch virale DNA in Endothelzellen der Lungengefäße gefunden wurden, werden sekundäre Messenger wie Zytokine, Wachstumsfaktoren, Endothelin und virale Proteine diskutiert.

1.4.3. Portale Hypertension (= porto-pulmonale Hypertension = PPHT)

2 bis 6% aller Patienten und Patientinnen mit portaler Hypertension entwickeln eine PAH, wobei bei Patienten und Patientinnen mit fortgeschrittener Leberzirrhose und Aszites sogar von weit höheren Zahlen auszugehen ist [10]. Die zugrunde liegenden Pathomechanismen sind spekulativ. Möglicherweise spielen eine erhöhter pulmonaler Blutfluss und Mikrothromben eine Rolle. Der Schweregrad der Lebererkrankung korreliert nicht mit der Prävalenz der PPHT, während weibliches Geschlecht und Autoimmunerkrankungen mit einer erhöhten Prävalenz assoziiert sind [11].

1.4.4. Kongenitale Herzerkrankungen

5 bis 10% aller Patienten und Patientinnen mit kongenitalen Shuntvitien entwickeln eine PAH. Morbidität und Mortalität dieser Patienten und Patientinnen werden durch den jeweiligen Herzfehler bestimmt. Als Mechanismen werden erhöhte Druck/ Volumenbelastung und shear stress an pulmonalen Endothelzellen sowie genetische Suszeptibilität diskutiert. Als Folge des erhöhten pulmonal- vaskulären Widerstands kann es zu einer Shuntumkehr (Eisenmenger Syndrom) kommen.

1.4.5. Schistosomiasis

Eine wesentliche Änderung in der neuen Klassifikation betrifft die PH assoziiert mit Schistosomiasis. Früher zählte man diese Form zu den thromboembolischen und/oder embolischen Erkrankungen, weil man von Obstruktionen der Pulmonalarterien durch Schistosomiasis-Eier ausging. Rezente Publikationen zeigen allerdings, dass sowohl Klinik als auch Histopathologie (plexiforme Läsionen) starke Ähnlichkeit zur iPAH haben. Als Pathomechanismus werden eine lokale Inflammation ausgelöst durch parasitäre Antigene diskutiert. Migration der Parasiten führt zu porto-pulmonaler Hypertension, einer häufigen Komplikation der Erkrankung, die das Entstehen von Lungenhochdruck noch weiter fördert [12]. Mehr als 200 Millionen Menschen sind weltweit mit Schistosomiasis infiziert, wovon ca. 1% der chronisch Kranken eine PH entwickeln. Somit stellt die PAH assoziiert mit Schistosomiasis wahrscheinlich die häufigste Form der PH dar, wobei klinische Studien diese Gruppe nur selten einschließen. Spezifische Therapien sind für Betroffene leider oft nicht zugänglich.

1.4.6. Chronisch hämolytische Anämie

PAH kann als Komplikation von chronisch hereditären und erworbenen hämolytischen Anämien auftreten. Dazu gehören Sichelzellanämie, Thalassämien, hereditäre Sphärozytose, Kugelzellanämie sowie mikroangiopathische hämolytische Anämie. Als Pathomechansimus wird ein vermehrter NO-Verbrauch durch freies Hämoglobin diskutiert. Aber auch chronisch inflammatorische Prozesse und Mikrothrombosen dürften bei der Krankheitsentstehung eine Rolle spielen.

1.5. Persistierende pulmonale Hypertension des Neugeborenen

Eine fehlende oder verzögerte postnatale Adaptation des Lungengefäß Systems führt zum Auftreten einer PPHN. Die PPHN tritt mit einer Inzidenz von 0,43 bis 6,8 Fälle pro 1.000 Lebendgeburten auf und hat eine Mortalität von 10 bis 20%. Bei Ansprechen der Therapie hat die PPHN eine günstige Prognose und zeigt in der Regel eine vollständige Rekonvaleszenz.

1.6. Pulmonale veno-okklusive Erkrankung (PVOD) und/oder pulmonale kapilläre Hämangiomatose (PCH)

Diese sehr seltenen Erkrankungen werden seit der Venedig-Klassifikation (2003) der Gruppe I der PH zugeordnet. Zuvor wurde sie zur Gruppe II und somit zur pulmonal-venösen Hypertonie gezählt. Die anfängliche Einteilung zur Gruppe II erfolgte aufgrund des Nachweises von fibrösen intimalen Läsionen im Bereich des pulmonal-venösen Gefäßbetts als Hinweis für eine pulmonale okklusive Venopathie. Bei der PVOD liegt jedoch neben der venösen Intimafibrose auch eine kapilläre und arterielle Schädigung des pulmonalen Gefäßsystems vor. Klinisch präsentieren sich Patienten und Patientinnen mit PVOD/PCH oft sehr ähnlich wie Patienten und Patientinnen mit iPAH. Trommelschlegelfinger und beidseitige basale Rasselgeräusche bei der Auskultation der Lunge können Hinweise auf das Vorliegen einer PVOD sein. Der Nachweis betonter septaler Linien, einer mediastinalen Adenopathie und einer vor allem zentrilobulären milchglasartigen Trübung des Lungenparenchyms in der hochauflösenden Computertomographie der Lunge ist verdächtig für das Vorliegen einer PVOD bei PH unklarer Genese. Für diese Krankheitsformen typisch ist ihr aggressiver Verlauf mit schlechter Ansprechbarkeit auf Therapie. Die Gabe von Prostazyklinen kann zu lebensgefährlichem Lungenödem führen.

2. Pulmonale Hypertension bei Linksherzerkrankungen

Die PH bei Linksherzerkrankungen stellt eine der wichtigsten Differentialdiagnosen der PAH dar. Die pulmonale Druckerhöhung kommt nicht wie bei PAH durch eine Pathologie der präkapillären Lungenstrombahn zustande, sondern entsteht durch linksatriale oder linksventrikuläre Drucksteigerung. Der pulmonal-vaskuläre Widerstand ist dabei normal bzw. nur leicht erhöht (<3.0 Wood Einheiten) und es besteht kein Gradient zwischen mittlerem PAP und Verschlussdruck (transpulmonaler Gradient <12 mmHg). Eine Reihe von valvulären und/ oder myokardialen Erkrankungen, wie zum Beispiel Mitral- und Aortenklappenpathologien oder Kardiomyopathien, können dafür verantwortlich sein. In der neuen Klassifikation wird zwischen 3 Untergruppen (systolische und diastolische Linksventrikelfunktionsstörung und Klappenerkrankungen des linken Herzens) unterschieden.

3. Pulmonale Hypertension bei Lungenkrankheiten und/oder Hypoxämie

Bei Patienten und Patientinnen mit chronischen Lungenerkrankungen und/oder Hypoxämie kann es aufgrund hypoxischer Vasokonstriktion der Pulmonalarterien zu einer Erhöhung des Pulmonalgefäßwiderstandes kommen. Der mittlere pulmonal-arterielle Druck ist meist nur leicht erhöht (mPAP <35 mmHg). Bei höheren Druckwerten und nur geringer Schädigung des Lungenparenchyms spricht man auch hier von einer ‚out-of-proportion’ PH. Die Prävalenz von PH bei Lungenerkrankungen ist unklar. In einer retrospektiven Studie konnte nur bei 1% von knapp 1000 Patienten und Patientinnen mit COPD eine PH im Rechtsherzkatheter diagnostiziert werden [13]. Das Überleben der Patienten und Patientinnen wird nicht durch die Pulmonalgefäßerkrankung sondern durch die Schwere der Lungenerkrankung bestimmt.

4. Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertension (CTEPH)

Die chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie entwickelt sich als Reaktion auf einmalige oder rezidivierende Pulmonalembolien, wenn Thromben zu fibrotischen Umbauvorgängen in den Gefäßwänden und einer Obstruktion der Lungengefäße führen. Eine daraus resultierende Erhöhung des Pulmonalgefäßwiderstandes führt zur chronischen Rechtsherzbelastung. Man schätzt, dass bis zu 4% aller Patienten und Patientinnen mit akuter Pulmonalembolie eine CTEPH entwickeln [14]. Eine frühere Pulmonalembolie, jugendliches Alter, ein großer Perfusionsdefekt und idiopathische Präsentation sind hierbei mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer CTEPH assoziiert. Die wahre Inzidenz der CTEPH könnte auch höher sein, da bei einem Drittel der Betroffenen anamnestisch kein thromboembolisches Ereignis erhebbar ist [15]. Faktoren, die mit einem höheren Risiko für das Auftreten einer CTEPH assoziiert sind, sind Zustand nach Splenektomie, ventrikulo-atrialer (VA-) Shunt zur Behandlung eines Hydrozephalus, Osteomyelitis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Malignome und Schilddrüsenersatztherapie [16]. Bei 10 bis 20% aller Patienten und Patientinnen konnten Antiphospholipidantikörper und bei 25% ein erhöhter Plasmafaktor VIII diagnostiziert werden [17].

Ein segmental positiver Ventilations/Perfusions-Scan ist diagnostisch für CTEPH. Mittels Computertomographie und Pulmonalisangiographie kann die anatomische Lage der Thromben innerhalb des Pulmonalgefäßbaumes ermittelt werden, was ein essentielles Operabilitätskriterium darstellt.

Die Therapie der ersten Wahl ist die chirurgische Endarterektomie der pulmonalen Obstruktionen, die in 80% der Patienten und Patientinnen zu einer funktionellen Heilung führt. Das Operationsrisiko ist nicht nur von der Erfahrenheit des chirurgischen Teams, sondern auch von der Auswahl der Patienten und Patientinnen abhängig. So haben Patienten und Patientinnen ohne CTEPH-Risikokrankheit eine Operationsmortalität von etwa 4%, Patienten und Patientinnen mit Splenektomie, VA-Shunt, Osteomyelitis oder chronisch entzündlicher Darmerkrankung hingegen ein 20%-iges Risiko, bei der Operation zu versterben [18].

Bei Inoperabilität oder persistierender PAH können Symptomatik und Langzeitüberleben durch medikamentöse Therapie möglicherweise verbessert werden. Bei Patienten und Patientinnen mit CTEPH ist auch nach erfolgreicher Operation eine lebenslange orale Antikoagulation indiziert.

5. Pulmonale Hypertension bei anderen Erkrankungen

In diese Kategorie fallen Erkrankungen, die aufgrund von inflammatorischen Prozessen oder mechanischer Obstruktion (hämatologische Erkrankungen, Sarkoidose, Speichererkrankungen, Tumore, usw.) einen Lungenhochdruck verursachen können. Die Therapie beschränkt sich auf die Behandlung der Grundkrankheit.